Die Vorstellung ist verführerisch. Ein symbolischer Euro – nicht mehr als ein Kaffee im Stehen – soll reichen, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Kein wohlhabender Investor, kein Kredit, kein Erbe erforderlich. Einfach gründen, loslegen, durchstarten. In Zeiten von Start-ups, digitalen Geschäftsmodellen und dem Wunsch nach Selbstbestimmung klingt die Unternehmergesellschaft wie ein Versprechen. Ein Versprechen auf Unabhängigkeit, Freiheit und Erfolg.
Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) wurde 2008 als Antwort auf die wachsende Zahl deutscher Gründer eingeführt, die ins Ausland auswichen – etwa nach Großbritannien, wo die „Limited“ mit wenig Kapital gegründet werden konnte. Deutschland wollte nachziehen und gründungsfreundlicher werden. Heraus kam die UG, als Unterform der GmbH, mit einem entscheidenden Unterschied: dem Mindeststammkapital von nur 1 Euro.
Doch was steckt wirklich hinter dieser oft als „1-Euro-GmbH“ bezeichneten Rechtsform? Ist sie die Eintrittskarte ins Unternehmertum oder eher eine Stolperfalle mit glänzendem Etikett? Mythen rund um die UG kursieren zahlreich – von „ein Euro reicht völlig“ bis hin zu „die UG schützt vor allem“.
Das öffnete Türen, die vorher verschlossen waren. Plötzlich konnten auch Menschen mit wenig Startkapital den Traum von der Selbstständigkeit verwirklichen. Besonders in der Digitalwirtschaft, bei Agenturen, im Coaching oder der IT-Branche fand das Modell großen Anklang. Kein Wunder – viele dieser Geschäftsmodelle benötigen kein großes Anlagevermögen, sondern Know-how, ein Notebook und Internetzugang. Gerade deshalb ist die UG gerade für Jungunternehmer interessant.
Doch wie tragfähig ist ein Geschäftsmodell, das mit einem Kapital startet, das kaum für ein Mittagessen reicht?
Natürlich: Der Gesetzgeber schreibt nur mindestens einen Euro vor. Die meisten Gründer bringen mehr ein – 500, 1.000 oder 2.000 Euro sind gängiger. Doch der Mythos hält sich hartnäckig: „Ein Euro reicht doch.“ Auf dem Papier stimmt das. In der Praxis führt dieser Ansatz oft zu Problemen.
Warum? Ganz einfach: Ein Unternehmen kostet Geld. Schon in der Gründungsphase fallen Ausgaben an. Notar- und Gerichtskosten für die Handelsregistereintragung, Beratung durch Steuerberater, eventuell die Erstellung eines Geschäftsplans – selbst bei größtmöglicher Sparsamkeit summieren sich die Kosten schnell auf mehrere hundert Euro. Wer mit einem Euro Stammkapital startet, muss also sofort privat nachschießen oder Fremdkapital auftreiben.
Was auf den ersten Blick wie ein cleverer Trick aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als gefährliches Unterkapitalisierungsrisiko. Unternehmen, die auf tönernen Füßen stehen, geraten schon bei kleinen Rückschlägen ins Wanken – sei es durch Zahlungsausfälle, ungeplante Kosten oder verzögerte Einnahmen.
Ein oft genannter Vorteil der UG ist die beschränkte Haftung. Sie schützt das Privatvermögen der Gesellschafter – zumindest theoretisch. Doch auch hier gilt: Wer glaubt, mit der UG könne man sich elegant aus der Verantwortung stehlen, irrt.
Denn Banken und Geschäftspartner sind nicht blind. Wer mit einem Euro Eigenkapital ankommt und ein Büro mieten oder einen Kredit aufnehmen möchte, wird oft um persönliche Sicherheiten gebeten. Private Bürgschaften, Kautionen oder Vorschüsse sind die Folge. Auch bei Ausschreibungen oder großen Projekten kann das Mini-Stammkapital Misstrauen erregen – „nicht zahlungsfähig“, „unseriös“ oder „nicht belastbar“ sind Assoziationen, die schneller entstehen, als einem lieb ist.
Ein Rechtsanwalt sagte einmal: „Die UG ist wie ein zu kleiner Regenschirm im Sturm – sie schützt ein bisschen, aber nass wirst du trotzdem.“
Ein zentrales Element der UG ist die gesetzliche Rücklagenpflicht: 25 Prozent des Jahresüberschusses müssen jährlich in eine sogenannte Gewinnrücklage eingestellt werden – solange, bis das Stammkapital von 25.000 Euro erreicht ist. Erst dann kann die UG auf Wunsch in eine „richtige“ GmbH umgewandelt werden.
Diese Rücklagenpflicht ist Fluch und Segen zugleich. Sie zwingt zu finanzieller Disziplin – was viele als sinnvoll empfinden. Doch in der Wachstumsphase kann es auch zur Last werden: Gewinne dürfen nicht vollständig reinvestiert oder ausgeschüttet werden, sondern müssen „geparkt“ werden. Das bremst die Liquidität und macht schnelles Wachstum schwer.
Richtig eingesetzt, kann die UG eine interessante Rechtsform sein. Vor allem dann, wenn sie bewusst gewählt wird – nicht aus Mangel, sondern aus Strategie. Wer weiß, dass er in einem Bereich gründet, in dem keine hohen Anfangsinvestitionen notwendig sind, kann von den Vorteilen profitieren.
Typische Szenarien, in denen die UG sinnvoll ist:
In diesen Fällen kann die UG ein flexibler Einstieg sein – eine Art legaler „Sandkasten“, in dem erste unternehmerische Schritte möglich sind.
Neben der bereits genannten Unterkapitalisierung gibt es weitere Risiken, die oft erst im laufenden Betrieb deutlich werden:
Die UG ist kein Allheilmittel – aber auch keine Mogelpackung. Sie ist ein Werkzeug. Und wie jedes Werkzeug hängt ihr Nutzen davon ab, wer sie benutzt – und wie. Wer gründet, sollte sich weniger von romantischen Vorstellungen und mehr von Zahlen, Plänen und realistischen Einschätzungen leiten lassen.
Ein Euro kann der erste Schritt sein – aber er ersetzt weder Strategie noch Risikobewusstsein. Die UG verlangt Disziplin, Weitblick und Professionalität. Sie belohnt Klarheit – und bestraft Leichtsinn.