Kauf einer Vorrats-GmbH: Das müssen Sie wissen.

Als Vorrats-GmbH wird eine „auf Vorrat“ gegründete Gesellschaft bezeichnet, die seit ihrer Gründung bislang nicht unternehmerisch tätig war. In der Praxis werden derartige Vorratsgesellschaften u.a. durch gewerbliche Anbieter zum Erwerb angeboten.[1]

Abzugrenzen ist die Vorrats-GmbH von der Mantelgesellschaft. Letztere ist eine existierende, früher am Geschäftsverkehr teilnehmende, mittlerweile aber unternehmens- und oft auch vermögenslose Gesellschaft.[2]

Die Vorrats-GmbH in der Praxis

Erwerbsgründe

In der Vergangenheit lag die Attraktivität des Erwerbs einer Vorrats-GmbH besonders in der damit verbundenen Umgehung des z.T. langwierigen Prozesses zur Handelsregisteranmeldung. Da sich dieser aber im Laufe der Zeit immer effizienter und zeitsparender gestaltete, fiel ein wesentlicher Grund zum Erwerb von Vorratsgesellschaften weg.

In neuerer Zeit gewinnt die Vorratsgesellschaft aber wieder vermehr an Bedeutung. Geschuldet ist dies den immer strenger werdenden Geldwäscheanforderungen, die den Banken bei einer Kontoeröffnung einer neu gegründeten Gesellschaft auferlegt sind. Dadurch kann es in (grenzüberschreitenden) Einzelfällen zwei Wochen bis zu mehreren Monaten dauern, um für eine GmbH im Gründungsstadium ein Konto zu eröffnen, was wiederum die Handelsregisteranmeldung, bei der die Geschäftsführer die Einzahlung der Stammeinlagen zu versichern und ggf. durch Vorlage von Einzahlungsbelegen nachzuweisen haben (§ 8 Abs. 2 GmbHG), und damit die Eintragung verzögert.

Das Motiv für den Erwerb einer Vorrats-GmbH liegt damit insbesondere in der schnellen Verfügbarkeit einer bereits mit einem Bankkonto ausgestatteten GmbH und der (erhofften) Vermeidung von Haftungsrisiken, die im Vor-Eintragungsstadium einer GmbH (bspw. bei verfrühter Aufnahme der Geschäftstätigkeit) drohen können.[3]

Mit dem Kauf einer Vorrats-GmbH ist es bei entsprechender Vorbereitung möglich, eine „einsatzbereite“ Gesellschaft innerhalb von 24 Stunden zu erwerben. Das gleiche Ergebnis lässt sich derzeit im Wege der eigenständigen Gründung kaum realisieren.

Prozedere

Die Vorratsgesellschaften, die im Handelsregister typischerweise mit dem Unternehmensgegenstand „Verwaltung eigenen Vermögens“ eingetragen sind, können jederzeit kurzfristig von entsprechenden Anbietern erworben werden (bundesweit tätig sind bspw. DNotV GmbH, Blitzstart Holding AG und Foris AG). Dabei tritt i.d.R. ein Mitarbeiter des amtierenden Notars als Bevollmächtigter des Anbieters auf, so dass der Erwerb jederzeit und ortunabhängig erfolgen kann.

Im Rahmen des Verkaufs der „leeren“ Gesellschaft an einen Dritten wird diese „aktiviert“. Der Käufer nimmt dann eine Satzungsänderung vor (insbes. hinsichtlich der Firma, des Unternehmensgegenstands, etc.), wechselt die Geschäftsführung aus und verlegt ggf. den Sitz.[4]

Kosten

Zugleich ergeben sich beim Kauf einer Vorratsgesellschaft zusätzliche Kosten, mit denen sich die entsprechenden Anbieter die Gründung und Vorhaltung der Gesellschaften bezahlen lassen, diese zusätzlichen Kosten liegen i.d.R. zwischen EUR 1.500 und EUR 2.500; hinzu kommen die (auch bei einer Gründung anfallenden) Kosten für das Stammkapital der Gesellschaft und Notarkosten für den Erwerb der Gesellschaft und die anlässlich des Erwerbs üblicherweise vorzunehmenden Änderungen der Satzung und in der Geschäftsführung.

Der Erwerb einer Vorrats-GmbH ist damit durch die anfallende Servicegebühr normalerweise mit einer etwas höheren Kostenbelastung im Vergleich zur eigenständigen Gründung der Gesellschaft verbunden.

Rechtliche Einordnung

Das GmbHG enthält keinerlei Sonderregelung bezüglich einer Vorrats-GmbH. Insofern könnte man die Gründungsvorschriften alleinig zum Zeitpunkt der tatsächlichen Errichtung für einschlägig halten. Der BGH hat dieser Ansicht jedoch widersprochen und vertritt in gefestigter Rechtsprechung die Auffassung, dass nicht nur bei der eigentlich Gründung, sondern auch bei dem als wirtschaftliche Neugründung bezeichneten Verkauf der „leeren“ Gesellschaft mit anschließender Aktivierung einzelne Gründungsvorschriften des GmbHG zur Anwendung kommen.[5]

Gleichzeitig hat der BGH damit die lange Zeit umstrittene Frage nach der Zulässigkeit einer offenen Vorrats-GmbH, bei der der Unternehmenszweck klar indiziert, dass es sich um eine wirtschaftlich inaktive Gesellschaft handelt, bejaht.[6] Die verdeckte Gründung einer Vorrats-GmbH, bei der der Gegenstand des Unternehmens nicht eindeutig auf die Eigenschaft als Vorrats-GmbH schließen lässt, bleibt dagegen sowohl nach der Rechtsprechung als auch nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum unzulässig, da dies gegen den Grundsatz der Gegenstandswahrheit (gemeint ist die Übereinstimmung des angegeben Satzungszwecks der Gesellschaft mit dem tatsächlichen) verstoßen würde.[7]

In Einzelfällen kann es jedoch zu Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich des Vorliegens einer wirtschaftlichen Neugründung kommen. Eine solche kommt nämlich immer nur dann in Betracht, wenn die Gesellschaft vorher tatsächlich nur als eine „leere Hülle“ angesehen werden kann, die kein (aktives) Unternehmen betreibt. Eine solche Unternehmenslosigkeit liegt jedoch nicht vor, sofern die GmbH nach Gründung und Eintragung im Handelsregister konkrete Aktivitäten entfaltet, die der Planung und Vorbereitung der nach außen gerichteten Geschäftsaufnahme im Rahmen ihres statutarischen Unternehmensgegenstandes dienen.[8]

Denn in diesem Moment verlässt die GmbH vielmehr den Bereich der Nicht-Tätigkeit bereits und ist folglich nicht mehr als bloße „Hülle“ anzusehen. Nicht jede Situation lässt sich trennscharf unter dieses Kriterium subsumieren, was in der Praxis in Anbetracht der Folgen, die der BGH an das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung knüpft (s. folgendes Kapitel), für erhebliche Schwierigkeiten sorgen kann.[9]

Praxisfolgen einer wirtschaftlichen Neugründung

Offenlegung und Versicherung

Liegt nach dem oben Dargestellten eine wirtschaftliche Neugründung vor, verlangt der BGH zunächst die Offenlegung dieses Umstandes gegenüber dem Registergericht. Diese erfolgt üblicherweise im Rahmen der Registeranmeldung, in der auch die Geschäftsführung gewechselt und die Satzung geändert wird.[10]

Darüber hinaus haben sämtliche Geschäftsführer die Versicherungen der §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2 und 3 GmbHG zu wiederholen. Sie müssen also ggf. ein weiteres Mal versichern, dass die auf die Geschäftsanteile zu erbringenden Leistungen bewirkt sind und der entsprechende Gegenstand der Leistungen (z.B. die Stammeinlagen) sich weiterhin bzw. mittlerweile wieder in ihrer freien Verfügung befindet.[11]

Anwendbare Vorschriften

Neben der Offenlegung und erneuten Versicherung wendet der BGH[12] die Grundsätze der Unterbilanzhaftung entsprechend an, nach denen die Gesellschafter eine am Tag der Offenlegung bestehende Unterbilanz oder Überschuldung beseitigen müssen. Anderenfalls droht eine Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft in der Höhe der Unterdeckung.[13] Beim Erwerb einer klassischen Vorratsgesellschaft, die noch kein Unternehmen betreibt und somit noch keine Verbindlichkeiten eingegangen ist, spielt die Unterbilanzhaftung konsequenterweise allerdings kaum eine Rolle.

Anders ist es bei einer Mantelgesellschaft, bei der ein erhöhtes Risiko für die Haftung von Altverbindlichkeiten besteht. Hier kann nicht immer ausgeschlossen werden, dass aus der ehemals vorhandenen Geschäftstätigkeit noch Verbindlichkeiten existieren, die für eine Unterbilanz bzw. Überschuldung der GmbH sorgen können.[14]

Ebenfalls entsprechend anwendbar ist die Regelung zur Handelndenhaftung in § 11 Abs. 2 GmbHG.[15] Diese greift jedoch nur in den Fällen, in denen die Geschäfte vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung aufgenommen wurden und dem nicht alle Gesellschafter zugestimmt haben.[16] Bei einer klassischen Vorratsgesellschaft dürfte das Risiko einer Handelndenhaftung daher – in Ermangelung einer Geschäftstätigkeit vor Übertragung auf den Erwerber –  gering sein.

Wie gesehen, knüpfen die vom BGH angewandten Haftungsregime an den Tag der Offenlegung an. Es sollte daher beim Erwerb einer Vorratsgesellschaft unbedingt auf eine rechtzeitige Offenlegung (im Idealfall mit oder kurz nach dem Erwerb) der wirtschaftlichen Neugründung geachtet werden, um die Haftungsrisiken zu minimieren.

Den Haftungsrisiken hinsichtlich einer früheren Geschäftstätigkeit der Vorrats- (bzw. Mantel-) Gesellschaft begegnet man darüber hinaus am effektivsten in dem man entweder die Vorratsgesellschaft selbst gründet (so z.B. in der Praxis durch Konzernmuttergesellschaften zu beobachten) oder indem man sich die fehlende Geschäftstätigkeit durch den Verkäufer der Vorratsgesellschaft im Kaufvertrag garantieren lässt. Dies wird von entsprechenden Anbietern regelmäßig gewährleistet.

Kostentragung der wirtschaftlichen Neugründung durch die Gesellschaft?

Nicht abschließend geklärt ist, ob neben den originären Gründungskosten auch die Kosten der wirtschaftlichen Belebung der Vorratsgesellschaft (Notar- und Gerichtskosten) von der Gesellschaft zu Lasten des Stammkapitals getragen werden dürfen. Bei einer unrechtmäßigen Belastung des Stammkapitals mit Gründungs- bzw. Aktivierungskosten droht wiederum eine Unterbilanzhaftung der Gesellschafter.

Das OLG Stuttgart[17] hat sich diesem Thema gewidmet und entschieden, dass die Kosten der Aktivierung nur dann vom Stammkapital absetzbar sein sollen, wenn die ursprünglichen Gründungskosten ausschließlich von den Gründern und nicht der Gesellschaft getragen wurden.[18] Im Ergebnis dürften somit – zumindest nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung – entweder die tatsächlichen Gründungskosten oder die Kosten der wirtschaftlichen Neugründung von der GmbH zu tragen sein, ohne dass hierdurch die Unterbilanzhaftung hervorgerufen wird.

Zusammenfassung

Damit die Vorteile des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft – vor allem die Zeitersparnis sowie die Vermeidung von Haftungsrisiken – auch genutzt werden können, sind die Folgen der BGH Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung zu beachten und vor allem in der Kaufvertragsgestaltung zu berücksichtigen. Eine solche Handhabung vorausgesetzt, kann die Vorratsgesellschaft ein nützliches Vehikel bei der zügigen Aufnahme einer neuen oder Erweiterung einer bestehenden Geschäftstätigkeit darstellen.

Über den Autor

Dr. Fabian Christoph ist Partner im Hamburger Büro der Anwaltskanzlei Osborne Clarke. Er berät deutsche und internationale Unternehmen, Konzerne, Investoren und Gründer bei M&A-Transaktionen, Joint Ventures, Finanzierungsrunden, Restrukturierungen und im Gesellschaftsrecht.

Quellenangaben

[1] Vgl. Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 494, 495.

[2] Vgl. Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 494.

[3] Vgl. Wicke in: Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, § 3 Rn. 27.

[4] Vgl. Wicke in: Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, § 3 Rn. 24.

[5] Vgl. statt vieler BGH Beschluss v. 09.12.2002 – Az.: II ZB 12/02; ZIP 2003, 251; Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 495.

[6] Vgl. statt vieler BGH, Beschluss v. 09.12.2002, Az.: II ZB 12/02, NZG 2003, 170; Beschluss v. 26.11.2007, Az.: II ZA 14/06, NZG, 2008, 147;  Wicke in: Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, § 3 Rn. 25.

[7] Vgl. BGH Beschluss v. 16.03.1992, Az.: II ZB 17/91, NJW 1992, 1824; Wicke in: Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, § 3 Rn. 28.

[8] Vgl. BGH Beschluss v. 18.01.2010 – Az.: II ZR 61/09; DStR 2010, 763; Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 496; Gesell in: Rowedder/Schmidt, GmbHG, 6. Auflage 2017, § 60 Rn. 6.

[9] Vgl. Wicke in: Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, § 3 Rn. 30, 32.

[10] Vgl. Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 498, 499.

[11] Vgl. Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 498.

[12] Vgl. BGH Beschluss v. 07.07.2003 – Az.: II ZB 4/02; DNotZ 2003, 951.

[13] Vgl. Heidinger  in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 4. Auflage 2018, Kapitel 3 Rn. 34.

[14] Vgl. Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 500.

[15] Vgl. BGH Beschluss v. 07.07.2003 – Az.: II ZB 4/02; DNotZ 2003, 951.

[16] Vgl. Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 502.

[17] Vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 23.10.2012 – Az.: 8 W 218/12; NZG 2013, 259.

[18] Vgl. Wentrup in: Beck´sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 12. Auflage 2016, 5. Anmeldung der Verwendung einer Vorrats-GmbH, Rn. 5; Mayer/Weiler in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, GmbH Rn. 509.

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